Von Fitness bis Fokus: Warum Reiten als Sport unterschätzt wird

Die meisten Menschen denken bei Sport an Laufen, Schwimmen oder Krafttraining, wohingegen  sich das Reiten eher selten auf dieser Liste wiederfindet. Dabei erfordert es nicht nur ein hohes Maß an körperlicher Fitness, sondern auch mentale Stärke. Die Verbindung zwischen Mensch und Pferd fordert Balance, Koordination und Konzentration. Wer sich intensiver mit dem Reitsport beschäftigt, wird schnell feststellen, dass es sich um ein ganzheitliches Training handelt, das viele Bereiche der Fitness verbessert.

Reiten und die Körperhaltung: Mehr als nur gerade sitzen

Eine aufrechte Haltung ist im Reitsport essenziell. Wer falsch im Sattel sitzt, verliert nicht nur das Gleichgewicht, sondern belastet auch den eigenen Rücken und das Pferd ungleichmäßig. Regelmäßiges Reiten trainiert die Rückenmuskulatur, stabilisiert die Wirbelsäule und verbessert die Haltung auch im Alltag. Besonders die Tiefenmuskulatur wird gestärkt, was gegen Verspannungen und Rückenschmerzen hilft. Ein weiterer Vorteil: Reiter lernen, ihre Haltung bewusst zu kontrollieren. Dieses Körpergefühl überträgt sich auf andere Sportarten und sorgt für mehr Stabilität in Bewegungsabläufen. Menschen, die viel am Schreibtisch sitzen, profitieren besonders von dieser Art der Kräftigung.

Konzentration und mentale Stärke durch den Reitsport

Beim Reiten ist volle Aufmerksamkeit gefragt. Pferde reagieren auf die kleinsten Signale, wie beispielsweise eine unbewusste Gewichtsverlagerung oder eine leichte Spannung in der Hand. Ein unkonzentrierter Reiter sendet widersprüchliche „Befehle“, was das Pferd verunsichern kann. Das bedeutet, dass der Kopf frei sein muss. Stress, Sorgen oder Ablenkung haben im Sattel keinen Platz. Diese mentale Disziplin verbessert die Fähigkeit, sich zu fokussieren und präsent zu sein. Besonders Kinder und Jugendliche, die durch Smartphones und digitale Medien oft abgelenkt sind, profitieren von der Fähigkeit, sich auf eine Aufgabe zu konzentrieren.

Ausdauertraining im Sattel

Reiten mag von außen betrachtet entspannt wirken, doch wer schon einmal eine Stunde im Trab oder Galopp verbracht hat, weiß, wie anstrengend es sein kann. Die Muskulatur in den Beinen und der Körpermitte wird dauerhaft beansprucht, ohne dass es zu ruckartigen Bewegungen kommt. Dadurch verbessert sich die Ausdauer nachhaltig. Neben der körperlichen Fitness spielt auch die mentale Durchhaltekraft eine Rolle. Wer mit einem energischen Pferd trainiert oder eine lange Trainingseinheit absolviert, muss sich mental und körperlich gleichermaßen anpassen. Die Kombination aus Muskelarbeit und geistiger Fokussierung sorgt dafür, dass Reiten auch als Ausdauersport ernst genommen werden sollte.

Springsport: Kraft, Technik und die richtige Wahl des Pferdes

Springreiten ist eine Disziplin, die Körperbeherrschung, Mut und technisches Können verlangt. Beim Überwinden der Hindernisse muss der Reiter nicht nur sich selbst koordinieren, sondern auch das Pferd optimal unterstützen. Kraft in den Beinen, eine starke Körpermitte und eine exzellente Balance sind dabei essenziell. Die Wahl des richtigen Pferdes spielt eine große Rolle. Nicht jedes Pferd eignet sich für den Springsport. Wer sich ernsthaft damit beschäftigen möchte, sollte sich ausführlich informieren, bevor er ein hochwertiges Springpferd kaufen geht. Temperament, Ausbildung und Gesundheit des Tieres sind entscheidende Faktoren für den langfristigen Erfolg im Sport.

Welche Muskeln werden beim Reiten trainiert?

  • Beinmuskulatur: Stärkt die Oberschenkel und Waden durch das ständige Stabilisieren im Sattel.
  • Rücken- und Bauchmuskulatur: Trainiert die Tiefenmuskulatur und verbessert die Haltung.
  • Armmuskulatur: Wird beansprucht, um die Zügel fein zu führen, ohne das Pferd zu blockieren.
  • Gesäßmuskulatur: Sorgt für eine stabile Sitzposition und absorbiert Bewegungen des Pferdes.
  • Gleichgewichtsmuskulatur: Kleine, oft unbewusst arbeitende Muskeln werden kontinuierlich gefordert.

Interview mit Reitsporttrainerin Lisa Hoffmann

Zur besseren Einordnung der sportlichen Vorteile des Reitens haben wir mit Lisa Berger gesprochen, die seit 15 Jahren als Reitsporttrainerin arbeitet.

Was macht Reiten zu einem effektiven Ganzkörpertraining?
„Reiten beansprucht viele Muskelgruppen gleichzeitig und trainiert besonders die Tiefenmuskulatur. Die stetige Balancearbeit sorgt für eine körperliche Fitness, die mit vielen klassischen Sportarten vergleichbar ist.“

Welchen Einfluss hat Reiten auf die mentale Stärke?
„Wer reitet, muss präsent sein. Pferde spüren jede Unsicherheit. Das erfordert eine starke mentale Kontrolle, die sich positiv auf andere Lebensbereiche überträgt.“

Ist Springreiten besonders anstrengend?
„Ja, definitiv. Es fordert nicht nur Kraft und Ausdauer, sondern auch Mut und Reaktionsschnelligkeit. Gerade Anfänger unterschätzen oft, wie viel Technik dazugehört.“

Gibt es eine ideale Fitness-Voraussetzung für Reiter?
„Jeder kann mit dem Reiten beginnen, aber eine gewisse Grundfitness hilft, sich schneller weiterzuentwickeln.“

Was ist dein wichtigster Tipp für Anfänger?
„Geduld! Reiten lernt man nicht von heute auf morgen. Wer dranbleibt, wird mit einer einzigartigen Verbindung zum Pferd belohnt.“

Danke für das Gespräch!
„Sehr gerne!“

Warum Reiten mehr Anerkennung als Sport verdient

Reiten ist weit mehr als eine Freizeitbeschäftigung. Es fordert den gesamten Körper und trainiert gleichzeitig die mentale Stärke. Viele unterschätzen, wie anstrengend es sein kann, eine harmonische Sitzposition aufrechtzuerhalten und gleichzeitig das Pferd korrekt zu führen. Der Reitsport verdient daher mehr Anerkennung als ernstzunehmende sportliche Herausforderung. Wer einmal selbst die Erfahrung gemacht hat, weiß, wie anspruchsvoll und bereichernd das Training mit Pferden sein kann.

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